Der "Beginn":
Zu Beginn eines solch umfassenden Projektes besteht die erste Herausforderung darin, einen Bereich zu finden, mit welchem man beginnen kann, ohne das zu viele weitere Zusatzarbeiten (beispielsweise Restaurierungen durch externe Firmen etc.) notwendig werden. Ich persönlich konzentriere mich am Anfang eines (Bau-)Projektes gerne auf Dinge, die ich in verhältnismäßig kurzer Zeit selbst erledigen kann. Eine Langzeitplanung wurde selbstverständlich erstellt, doch motiviert es einen persönlich dann doch hin und wieder mehr, wenn man einen erheblichen Anteil der Arbeit "in einem Rutsch" erledigen kann und die Arbeiten, die durch Andere erledigt werden muss, hinten anstellt, da man darauf ja selbst keinen Einfluss hat (von konzeptionellen Dingen abgesehen).
Somit habe ich mit der Aufarbeitung des Untergehäuses begonnen, in welchem sich Orgelmotor, Balg und die Stromversorgung für die Traktur befindet. Dieses Untergehäuse kann von den restlichen Orgelteilen separiert werden, so wie es das Grundkonzept des Instrumentes vorsehen soll. Zum Transport sollen alle Kernteile voneinander separiert werden und somit einzeln bewegt werden können.
Rustikale Elektrik:
Als erstes fiel mir bei der Begutachtung des Gehäuses die "leger" installierte elektrische Zuleitung auf. Die Außeninsolierung der beiden Zuleitungsdrähte (es war kein Schutzleiter angeklemmt!) fehlte und die beiden schmalen Drähte hingen durch ein ausgefranstes Loch in der Gehäusewand nach außen. Ein Außenkabel war faktisch nicht vorhanden, der Stecker klebte quasi direkt am Gehäuse. Innen befand sich eine einfache Aufputzsteckdose, über die sämtliche Verbraucher im Inneren angeschlossen waren. Darunter der Orgelmotor sowie der ursprünglich verwendete, massive Gleichrichter. Ein Kabelzugschutz sowie ordentlich verlegte Leitungen waren nicht zu entdecken...
Interessant: Zur Speisung der Traktur wurde ein opulenter Gleichrichter der Firma Laukhuff verwendet, so wie er normalerweise in größeren Hauptorgeln zum Einsatz kommt. Der Gleichrichter lief jedoch ausschließlich mit Drehstrom. Das Problem: die Zuleitung, die an das "normale" Hausnetz angeschlossen war, lieferte selbstverständlich keinen Drehstrom. Wie wurde nun der massive Gleichrichter betrieben? Richtig, man hat, ebenfalls recht rustikal, einen ebenso opulenten Transformator zwischengeschaltet, der den Wechselstrom (230V / 50HZ) in Drehstrom umwandelt Eine äußerst umständliche Lösung, doch offenbar wurde hier mit den Mitteln gearbeitet, die zum Zeitpunkt des Baus in der Werkstatt verfügbar waren.
Im Laufe meiner Arbeiten gewinne ich sowieso zunehmend den Eindruck, als habe das Instrument ein engagierter Orgelbauer als Hobbyprojekt in seiner Freizeit gebaut. Vielleicht sogar mit ausrangierten Teilen oder Teilen, die aus anderen Instrumenten ausgebaut wurden? Verschiedene Bautechniken, Materialien und Umsetzungen legen diese Vermutung sehr nahe. In den Jahren scheinen dann weitere Hobbybastler und Reparateure Hand an das Instrument gelegt zu haben.
Beachtenswert ist die Qualität des Orgelmotors und des Balgs. Es handelt sich beim Motor um das Modell "Ventola" von Laukhuff, das kleinste Motorenmodell der mittlerweile nicht mehr existenten Firma. Wie mir ein Orgelbauer aus der Region kürzlich bestätigte, verfügen diese Modelle (bei ordentlicher Pflege) über eine erstaunlich lange Lebensdauer, an der sich moderne Motoren ein Beispiel nehmen könnten. Der Motor war noch gut geölt, das Motorlager läuft weich, es treten keine Störgeräusche auf...Der Motor schnurrt wie am ersten Tag. Ich habe ihn nochmals ein wenig nachgeölt und das Datum vermerkt. Er wird viele weitere Dienstjahre vor sich haben. Der Motor wird zukünftig per Fußschalter ein- und ausgeschaltet werden können. Dieser schaltet die Zuleitung nicht auf direktem Wege, sondern über ein entsprechendes Relais.
Der Balg wurde zwar an wenigen Stellen nachträglich abgedichtet, doch der Gummi, der zum Einsatz gekommen ist, ist insgesamt noch weich und weist keine porösen Stellen auf. Die im Inneren befindliche Drosselklappe bewegt sich frei. Ich konnte keinen Schimmelbefall feststellen.
Erledigte Arbeitsschritte: Neue, ausreichend lange und solide Zuleitung / Kabelverteilung im Inneren durch professionelle Aufputzdosen / Verkabelung nach modernem Standard mit Kabelabschlusshülsen / neue Steckdosen / Kabelführung organisiert und fixiert / Kabel gegen Zug geschützt / Innenraum vollständig gereinigt / Zuleitung Orgelmotor erneuert / Orgelmotor geölt / Neue Stromversorgungsgeräte installiert (regelbar, separate Geräte für Register- / Tontraktur) / Balg innen gereinigt / modularer Fußschalter für Orgelmotor eingebaut
Baumarkt-Latten:
Ein Problem stellte, aus meiner Sicht, die Luftzufuhr des Motors dar. Aus mir nicht ersichtlichen Gründen wurde der Motor vollständig (!) abgekapselt. Er selbst befand sich in einer abgedichteten Box mit minimalster Einströmöffnung am unteren Rand und der Spalt, der sich zwischen Deckenplatte und Gehäusewand bildete, wurde mit Baumarkt-Latten verschlossen. Faktisch hat der Motor keine Luft bekommen. Sicherlich ist dies rein aus Lärmschutzgründen geschehen, doch was nützt ein leiser Motor, wenn dieser keine Leistung bringen kann? Dieses Rätsel konnte ich nicht lösen, doch ich habe die Probleme entsprechend behoben. Eine besondere bauliche Leistung stellte die Fixierung besagter Latten mit Spax-Schrauben in der Oberseite (!) der Holzplatten dar. Jedem Heimwerker sollte bekannt sein, dass auf diese Weise die geringste Stabilität gewährleistet werden kann, jedoch schien dies hier nicht zu stören, da ja der vermeintliche Zweck erfüllt schien. Viele dieser kleinen "Pfusche" werden im Laufe dieses Blogs noch auftauchen. Es wurde an vielen Stellen nachgearbeitet und - korrigiert, doch dies in manchmal erschreckend schlechter Art und Weise. Zu Ärgernis desjenigen, der es im Nachhinein wieder korrigieren muss.
Erledigte Arbeitsschritte: Entfernung des Motordeckels / Entfernung der Latten, um einen ausreichend groß dimensionierten Lufteinlass zu gewährleisten
Pressspahnplatten:
Die Außen- und Zwischenwände des Gehäuses sind aus Pressspahnplatten gefertigt, diese sind zweckmäßig doch sehr ungünstig in ihrer Handhabung: die offenen Seitenflächen bröseln und Bohrlöcher fransen in jedem Fall aus. Nachdem die internen Arbeiten erledigt waren, wurde die abgefallenen Späne weggesaugt. Die Platten wurden rundherum mit schwarzem Gewebeband beklebt und somit verschlossen. Besonders beanspruche Bereiche wurden zusätzlich abgeklebt und verschlossen. Diese "Verschlüsse" dienen selbstverständlich keiner statischen Befestigung, doch sie verhindern sehr erfolgreich, dass die empfindlichen Holzkanten weiter verschleißen und unnötig abgenutzt werden. Zudem sieht es aus deutlich besser aus, doch das soll nur ein Randeffekt bleiben.
Erledigte Arbeitsschritte: Verschluss der inneren und äußeren Spahnplatten mit Reparatur- & Gewebeband
Bröselteppich und Farbunfall:
An einer Seite des Gehäuses hat man es schon geahnt, doch ich wollte es vorerst nicht wahrhaben. Doch hierzu gleich mehr.
Auf dem frei beweglichen Deckel des "Gebläse-Moduls" befand sich ein aufgeklebter Teppich. Dieser sollte offenbar ebenfalls der Geräuschdämmung dienen, obwohl der ursprüngliche Aufstellungort der Orgel (Bilder und Details in einem späteren Beitrag) vermuten lässt, dass auf selbigem Deckel gelaufen wurde oder zumindest Lasten deponiert wurden. In der ersten Projektkonzeption war vorgesehen, diesen Teppich zu ersetzen, doch dies wurde vorerst nicht in die Tat umgesetzt, da ich ersteinmal sehen (oder besser 'hören') möchte, wie laut das Motorgeräusch letztendlich ist. Der alte Teppich wurde jedenfalls entfernt und darunter tat sich dann doch die ursprüngliche Gehäusebemalung auf. Mir wurde mitgeteilt, dass das Originalgehäuse Grün-Rot gestaltet war. Das Grün lässt sich am Untergestell unter der Windlade erkennen. Doch das Rot war bereits in den Grundzügen an der Seite des Gehäuses sichtbar. Ich ging davon aus, dass es sich vielleicht um eine Art merkwürdig getrockneten Kleber oder so handele, doch falsch. Unter dem alten Teppich, der bereits zu Staub zerbröselte, kam ebendiese Färbung hervor und es war kein Kleber...DAS war der ursprüngliche Rot-Ton mit versuchter Marmorierung. Eine furchtbare Umsetzung! Man kann es eigentlich nicht in Worte fassen und es tun sich scherzhafte Assoziationen auf, die aber in so einem Projekt nichts verloren haben. Ich habe sehr lange überlegt, was ich damit tue. Schlussendlich habe ich mich dafür entschieden, diese "Bemalung" so zu belassen. Sie wird unsichtbar im Gesamtgehäuse sein und stellt sozusagen ein "Relikt" der ursprünglichen Orgel dar. Wie man geschmacklich hierzu steht, bleibt dabei völlig offen.
Erledigte Arbeitsschritte: Alte Teppichauflage wurde entfernt / Farbgestaltung wurde beibehalten
Abschluss:
Am Ende wurden noch die Wind-Zuleitungen und Anschlussstellen gereinigt und statt des Maler-Kreppbandes auch hier solides Gewebeband angebracht. Die Windleitungen sind (wie hin und wieder üblich) aus Pappe gefertigt, welche anschließend mit Leim überzogen wurde. Eine unkomplizierte und traditionelle Lösung, die unproblematisch ist. Ein Leck im Papprohr wurde geflickt und die Röhren sollten weiterhin problemlos funktionieren. Insgesamt befindet sich das Gebläse nun in einem einsatzfähigen Zustand und der Arbeitsschritt ist abgeschlossen.
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